Essen unterwegs – Hüttenwanderung in den Tessiner Alpen

Ich hasse Berge. Sie sind hoch. Sie sind anstrengend. Sie sind kalt. Sie sind heiß. Sie sind gefährlich. Sie sind schroff.

Warum um alles in der Welt habe ich mich zu einer Hüttenwanderung überreden lassen?

Ich bin viel zu gutmütig, das wird es sein. Ausgerüstet mit einem Rucksack voller, äh, Brötchen, Wasser und Schlafsack, haben wir uns aus dem Bleniotal von der Seilbahn das erste Stück hochbringen lassen. Man muss es ja nicht übertreiben. Immerhin kann man sich 1000 Höhenmeter ersparen, man fährt von 430 auf 1413 m, und das ist schon recht atemberaubend. Ich finde, so kleine Gondeln sollten verboten werden. Oben war es aber sehr lieblich-bergig.

Und so zog sich der erste Tag dahin mit gemächlichem Wandern bis auf 2100 m zur Quarnei-Hütte, vorbei an Almwiesen und Kühen und Kühen und Wiesen und Wäldern und Kühen und Wiesen und Kühen. Dazwischen ich, bei jedem Anstieg schnaufend wie eine dicke Lokomotive und langsamer als eine Nacktschnecke auf Sägemehl. Aber was soll’s, man hat ja schließlich Urlaub.

Der Hüttenwirt hat uns übrigens mit selbstgemachter Pizza versorgt, die auch am nächsten Tag noch als Marschverpflegung gut Dienste verrichtete. Der Pudding mit dem Schuss Eierlikör zum Nachtisch … war am Morgen danach zwei Aspirin wert! Aber lecker … die Maggi-Bouillon vorneweg … sei ihm verziehen. Wir lieben alle Maggi, nicht wahr?! Danke, Stefano, für einmal rundum Pampern!

Der nächste Tag war hoch. Felsig. Voller Schnee und Ängsten. Mit Höhenangst sollte man keine Pässe (2600 m hoch) durchsteigen. Okay, ich hab es überlebt und bin auch angekommen. Erst am Passo del Laghetto. Dann an der Adula UTOE (ein Tee und ein Brotkuchen retteten mich kurz). Und dann fiel ich in die Hände von Daniele in der Adula CAS.

Echt, Daniele, wir fanden die Pizza von Stefano voll okay!

Daniele, der Hüttenwart der Adula, hat sich ausgeschüttet vor Lachen. Pizza! Wie kann ein Tessiner Hüttenwart Pizza machen? Er hat dann auch bei Stefano angerufen und sich nochmal über ihn lustig gemacht. Dabei war Stefanos Pizza super gut! Und wenn er am Morgen „Lust auf Pizza hatte“ so dass er „einen Teig gemacht hat“ und wir die einzigen Gäste auf der Hütte waren, was sollten wir dann sagen? „Wir wollen aber Murmeltierbraten!“? Macht man doch nicht!

Daniele hatte eine unüberschaubare Kinderschar, alle eifrig Italienisch plappernd, in der Hütte. Waren das alles seine? Holla! Zwei halfen bei der Zubereitung frischer Gnocchi. Wieviel Teig das wäre? Er wusste es nicht. Geschätzt sah das nach mehr als 5 Litern aus, ich konnte nur das Volumen begutachten. Also servierte er, relativ pünktlich sieben Uhr, zwei deutschen Wanderern, die dem Tode entronnen und zwei einheimischen Wanderern, die wegen zu viel Schnee umgekehrt und deswegen eher Spaziergänger waren, Gnocchi mit Tomatensoße. Viele Gnocchi. Und aus Höflichkeit, und weil man nicht oft handgewalkte Gnocchi bekommt, nahm ich noch einen Nachschlag. Bevor es Ossobuco gab. Das brutzelte schon ein paar Stunden in einer weinseligen Soße auf dem Holzherd vor sich hin und duftete die Hütte schwummerig. Die Küche … nun … da war dieser Durchgang zwischen zwei Wirtsstuben mit dem Herd und so. Und ein Nebenraum mit viel Platz zum Kneten von Teig.

Nicht mehr viel Platz bleib nach zwei Scheiben Ossobuco im Magen … und der wurde dann noch mit einem Stück frisch gebackenem Kuchen zum Nachtisch gefüllt. War sowas wie versunkene Birne. Oh Daniele, wenn du wüßtest, wie gut das nach diesem Tag tat!

Aber mein Italienisch ist zu schlecht, das Jammertal zu beschreiben, das an diesem Tag auf dem Gipfel der Berge lag, und das ich durchschritten hatte. Und ich habe auch nicht so viele italienische Lobesworte gelernt, so dass ich immer nur „buonissimo“ stammeln konnte, bevor ich gegen neun Uhr auf die Matratze des Massenlagers fiel, das in vier Räume eingeteilt und deswegen von uns zwei teutonischen Wanderern exklusiv beschnarcht werden konnte. Die eingeborenen Spaziergänger hausten mit Hund anderwärts im eigenen Massen-Privatquartier. Die Kinder waren verschwunden. Waren sie etwa eigentlich Heinzelmännchen?

Der nächste Tag brachte einen Abstieg ins Tal. Von 2000 m auf ca. 600. Schmerzhaft. Und eilig, weil noch Einkäufe erledigt werden mussten, um den Grill vor’m Häuschen mit anderem als Weinbergschnecken aus dem Hausgärtchen bestücken zu können. Und mit dem Bus zum Laden zu kommen. Und überhaupt. Aber Ende gut, alles gut, es hat geklappt. Von Salume asino und so vielleicht noch später was. Und Burro von der Alpe. Und Tee, der wie der Gipfel schmeckt. Und nach drei Tagen konnte ich auch schon fast wieder normal laufen.

Ach, die Berge …

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Martina 18:17