- Lotta – kochende Leidenschaft - https://www.digilotta.de -

Lorcher Kulturtage: Weinwanderung von Aßmannshausen nach Lorch

Eine Weinwanderung am Tag der deutschen Einheit fand ich eine nette Idee. Im Rahmen der Lorcher Kulturtage bot der Kultur- und Heimatverein Lorch am letzten Wochenende eine Wanderung von Aßmannshausen nach Lorch an. Durch die Weinberge mit drei Zwischenstopps zur Weinverkostung und abschließendem Vesper im Kolpinghaus in Lorch. Leider verschwieg der Veranstaltungshinweis auf der Website der Stadt Lorch [1], dass man sich eigentlich dazu anmelden musste. Und so standen wir unwissend um Punkt 12 Uhr auf dem Parkplatz beim Wispergrill an der alten B42 in Lorch. Als der Bus kam, waren rund 60 weitere Teilnehmer eingetroffen und wir bekamen Bedenken, ob wir überhaupt noch einen Platz ergattern würden. Aber alle Bedenken waren unbegründet. Völlig unbürokratisch wurden wir in die Teilnehmerliste eingetragen, entrichteten unseren Obolus von 15 € pro Person und stiegen ein.

Die Busfahrt war zwar kurz, bot aber gleich einen kleinen Nervenkitzel, als sich der Fahrer durch die einzige Straße zwängte um uns zu unserem ersten Ziel der Domäne Aßmannshausen des Hessischen Staatsweingutes [2] zu bringen. Okay, den Nervenkitzel hatte vor allem der Busfahrer, der an der engsten Stelle der Straße links und rechts kaum mehr als 30 cm Platz bis zu den Häuserwänden hatte – aber auch die unvernünftigen Fußgänger, die meinten unbedingt noch an dem Bus vorbei zu müssen anstatt zu warten, bis er durch war. Im Staatsweingut empfing uns dann der Geschäftsführer und Betriebsleiter Ralf Bengel und erzählte Interessantes über die Geschichte des Weingutes und zu den dort angebauten Weinen. Von dort ging es dann gleich in die Weinberge und zur ersten Verkostung. An einem schönen Aussichtspunkt hatte man einen kleinen Stand aufgebaut und wir konnten zwei sehr schöne Weine probieren: einen 2009er Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Blanc de Noirs – der mir wegen seiner Fruchtigkeit und Frische gefiel – und einen 2009er Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder, der schön rund und von ungewöhnlich tiefroter Farbe war (was, wie Bengel erklärte, dem guten Weinjahr geschuldet war).

Nun kam der anstrengende Teil. Bei herrlichem Sonnenschein und angenehmen 23 Grad ging es fast eine Stunde überwiegend bergauf, bis zu der zweiten Probierstation. Hier hatte der Chef des Weingutes Graf von Kanitz [3] in einem kleinen Unterstand drei Weine vorbereitet. Während mir der Rote (ein trockener wegen seines deutlichen Holztones weniger zusagte und der trockene Riesling für meinen Geschmack zu trocken und säurebetont war, gefiel mir der Feinherbe recht gut. Ein kleiner Schwachpunkt der Wanderung machte sich hier übrigens bei allen bemerkbar, die zum ersten Mal bei dieser Wanderung dabei waren: es gab absolut nichts zu essen! Nicht einmal ein wenig Weißbrot zu dem Wein. Da auch in der (spärlichen) Ankündigung auf der Website nichts dazu stand, hatte jetzt keiner von uns damit gerechnet und wir hatten so gut wie nichts Essbares dabei. Dankenswerter Weise teilten freundliche (und erfahrene) Mitwanderer ihr mitgebrachte Verpflegung mit uns: Käsewürfel, Salzstangen und -brezeln, Frikadellen u.v.m.

Weiter ging es zur dritten  Station. Vorbei an einer Ziegenherde, die in einem eingezäuntem Areal weidete und die Aufgabe hatte, den Hang von Büschen und Sträuchern zu befreien. Wusste ich auch noch nicht, dass Ziegen das ausgesprochen gründlich machen und selbst vor Brombeeren nicht zurückschrecken! Kurz danach kamen wir an einem kleinen Steinturm, wo Mitarbeiterinnen des Weingutes Friedrich Altenkirch [4] ihren Tisch aufgebaut hatten und uns die Weine „Grauschiefer“ (ein trockener Riesling) und „Quarzschiefer“ (ein feinherber Riesling) kredenzten. Letzterer war mein Favorit des Tages – etwas weniger Restsüße als der halbtrockene (pardon: feinherbe) Wein von Graf Kranitz, mit ausgewogener Säure und  – wie ich fand – runder im Geschmack als der Höllenberger Blanc de Noir.

Nicht nur die Weinbeschreibungen waren interessant. Wir sind durch 400 Millionen alten Devonquarzit gelaufen, ohne das es gruselig war. Und haben die heilende Wirkung von Wegwarte, Rainfarn, Tausendgüldenkraut und schliesslich von Dost erfahren. Den wenigstens kannten wir vom Geruch, das ist wilder Oregano, so wie er eben bei uns wächst.

So langsam begann sich nun aber doch der Hunger bemerkbar zu machen und auf der letzten Etappe wurde das Marschtempo spürbar erhöht. Kurz nach sechs trafen wir dann im Lorcher Kolpinghaus [5] ein, wo eine deftige Vesper auf uns wartete: Leberwurst, Blutwurst und eine Art Presskopf – alles von wirklich guter Qualität – und dazu Brot, Butter und etwas (geschmacklich zu vernachlässigender) Schnittkäse. Das Foto zeigt nur noch die spärlichen Reste – zu groß war der Hunger und so kam der Fotoapparat erst viel zu spät zum Einsatz (es ist ein Wunder, dass es überhaupt Fotos gab, war doch vergessen worden den Akku zu laden und so war dieser genauso leer wie unsere Mägen)

Leer gefutterter Vesperteller (Kolpinghaus in Lorch) [6]

In geselliger Runde klang der Abend dann aus. Natürlich waren wir zu der Weinwanderung mit dem Zug angereist und konnten daher leider nicht bis zum Ende bleiben – um 19:59 Uhr ging der letzte Zug, der allen noch brauchbare Anschlussverbindungen bot. An dieser Stelle noch ein besonderes Dankeschön an die Frau des Organisators, die uns zum Bahnhof fuhr und so ermöglichte noch ein bisschen länger bei der schönen Veranstaltung zu bleiben.

Stehengebliebene Uhr am Lorcher Bahnhof [7]Am Bahnhof begrüßte die Deutsche Bahn uns dann auf etwas eigenwillige Weise. Zum Einen war die Tür zu den Bahnsteigen verschlossen. Ein Schild klärte uns auf, dass dies seine Richtigkeit hatte und die Türen sich rechtzeitig vor Einfahrt des Zuges öffnen würden. Für Heiterkeit sorgte dann ein zweites Schild, das verkündete, dass die Uhren im Bahnhof nicht die richtige Uhrzeit anzeigten. Nun, das war allerdings offensichtlich, standen sie doch alle auf einer Minute nach zwölf. War das nun eine politische Erklärung der Bahn zu Stuttgart 21 (S21)? Wollte man damit demonstrieren, dass es für dieses Projekt nicht mehr fünf vor zwölf ist (und man es ggf. noch anhalten kann), sondern dass die Zeit für die Gegner des Projektes abgelaufen ist und es schon nach zwölf ist? Oder muss man dank der davonlaufenden Kosten sparen und fängt mit den Uhren auf der Bahnstation an? Oder ist so ein kleiner Bahnhof einfach nicht wichtig genug, um für funktionierende Uhren zu sorgen?

Fazit

Eine rundum gelungene Veranstaltung: nette Mitwanderer, tolles Wetter, eine schöne Route, hervorragende Weine und gutes Essen. Da kommen wir doch gerne im nächsten Jahr wieder – dann aber mit gut gefülltem Picknick-Korb. 😉