Roggenbrot-Fiasko für Fortgeschrittene

Selbstgebackenes Brot. Nach dem gelungenen (wenn auch nach Amateur-Rezept, ich weiß), und nachdem ich auf Houdinis Tipp hin auf einem wunderschönen Bäcker-Blog gelandet war, schweifte ich weiter zu Petras Brotkasten, wo ich mich spontan dazu entschied, ein Rezept für ein reines Roggenbrot ohne Hefe auszuprobieren. Es sind schon raffinierte Teufel, die einen manchmal reiten.

Die Vorbereitung war groß angelegt … ich besorgte im nicht ganz nahen Reformhaus Roggenmehl und -schrot und nahm ein Päckchen Natursauerteig mit. Ich wollte nämlich keinen selbst ansetzen, weil ich diese Woche noch frisches Brot haben wollte. Die Gärzeiten an sich für das Rezept belaufen sich ja schon auf 2 bis 3 Tage. Tags drauf bin ich auch noch tapfer zum Raiffeisenmarkt gefahren, der Wein, Hühnerfutter, Kartoffelkisten, Gummistiefel, Blumentöpfe und Gärkörbe im Sortiment hat, und noch vieles mehr (Großgebinde Mehl zum Brotbacken zum Beispiel. Die Lebensmittelmotten hätten ihre helle Freude dran). Und einen Gärkorb wollte ich haben. Das ist das, wo das Brot hinterher diese charakteristischen Rillen in der Kruste hat. Einer war tatsächlich auch noch da.

Also machte ich mich Freitagabend an den Ansatz der ersten Stufe. Sauerteig und Roggenmehl und Wasser vermischen, Teig wird zum Ball … Mist, mein Teig wird eher zur Lehm-Matsche, aber das nehme ich jetzt mal hin. Roggenschrot in Wasser einweichen. Jetzt sollte das Ganze bei Zimmertemperatur fermentieren und dann über Nacht in den Kühlschrank gestellt werden. Was habt ihr bloß alle für Kühlschränke? In meinen kriege ich keine Rührschüssel rein, außer ich evakuiere sämtlichen Inhalt und baue die Einlegeböden aus. Aber ich habe dieses Wochenende auch deswegen gewählt, weil die Wetterbedingungen ideal sind. Tagsüber sind es etwas über 20 Grad, nachts sinkt die Temperatur auf ca. 15 Grad. Wozu also einen Kühlschrank, wenn man drei Balkone hat? Es wird schon gut gehen!

Samstagmittag folgt Teil 2. Die Sauerteigpampe, den Schrot, Roggenmehl, Salz und Wasser verknete ich zu einem schönen Teig. Der kugelt jetzt wirklich. Da ich keine Küchenmaschine besitze, knete ich lustvoll von Hand. Meistens dankt es der Teig, aber dieser hier ist eine ganz undankbare Socke, um das mal vorweg zu nehmen. Auch Kingsize-Tiefkühlbeutel habe ich besorgt, in die die Rührschüssel und später der Gärkorb wunderbar reinpassen Die Teigkugel wird zum Ruhen abgestellt und soll jetzt auf ca. das Doppelte aufgehen. Vier Stunden später … liegt die gleiche Kugel mit dem gleichen Volumen wie tot in der Schüssel. Auch am Abend hat sich das Volumen wenn dann eher unmerklich vergrößert. Ich gönne dem Teig die nächste Nacht auf dem Balkon, auf dass die Milchsäurebakterien sich nicht gedrängt fühlen mögen.

Sonntagmorgen. Ich ahnte es schon. Der Teigkadaver liegt ungerührt in der Schüssel. Jetzt greife ich zu drastischen Maßnahmen. Ich könnte die Pampe wegwerfen, löse aber stattdessen einen Viertelwürfel Hefe in etwas Wasser auf, und knete das zusammen mit noch etwas Mehl in meinen bislang kugelfeinen Teig. Zusammen mit der Hefe ergibt sich sofort eine schwer zu handhabende Masse, die ich mit etwas Geduld aber doch noch von der Arbeitsplatte gekratzt und in die Schüssel bugsiert bekomme. Eine Stunde später ist klar: Ich konnte den Teig beleben. Er nimmt tatsächlich an Volumen zu. Jetzt darf also der neue Gärkorb eingeweiht werden. Meiner Meinung nach ausreichend dick mit Mehl ausgestreut nimmt er den Klumpen auf, der freundlich auf die Größe des Korbes wächst, so dass ich beschließe, jetzt endlich den Herd anzuwerfen. Während dieser einheizt, konstruiere ich aus einem Pfannenspritzschutz und einem Stück Alufolie einen provisorischen Schieber, mit dem ich den fertigen Laib in den Herd bugsieren möchte.

Als der Herd heiß ist, kommt ordentlich Mehl auf den Teig, damit er nicht am Schieber klebt und schwupps … das Unterteil des Brotes liegt auf dem Spritzschutz-Alufolien-Schieber, die Oberseite klebt pittoresk im Korb. Für einen kurzen Moment läuft mir die Galle über. DIESES BROT WILL WOHL NICHT GEBACKEN WERDEN!!! Ruhig durchatmen, „ommmmm“ summen – oder die unflätige Version davon: „Scheiße, Scheiße, Scheiße“ (500x wiederholen). Ich kenne da nix: Ich packe den Teig, knete alles wieder fein säuberlich zusammen und knalle es in den dick, dicker, am dicksten mit Mehl ausgestreuten Gärkorb. Wäre doch gelacht!

Zwischendrin geht mir immer wieder durch den Kopf: Wahrscheinlich wird es ein ganz furchtbares Brot, glitschig, doof, geschmacklos. Der Holzofenbrot-Gatte wird seinen leidenden Blick aufsetzen, jedesmal, wenn er sich eine Scheibe davon abschneiden muss. Ich verdränge diese Gedanken, jetzt geht es um ganz andere Dinge. Ich will dieses Brot besiegen! Ich lasse mich doch nicht von einem Brot verhohnepipeln!!!

Immerhin, beim zweiten Versuch löst sich das Brot aus dem Korb. Sieht nicht so arg schön aus, der halbe Zentimeter Mehl obendrauf, aber hat seinen Zweck erfüllt … mir ist alles egal. Ich heize den Herd wieder an und präpariere die Blumenspritze, um damit später Wasser zwecks Dampfentwicklung in den Herd zu zaubern. Muss ich erwähnen, dass das seit Jahren treue Stück ausgerechnet an diesem Tag seinen Dienst quittiert? Aber ich kann noch eine Ersatzspritze organisieren. Schließlich darf der renitente Teigling in den Ofen! Zehn Minuten bei strammer Hitze. Dann wird die Hitze etwas heruntergedreht und nach weiteren 20 Minuten Wasser in den Ofen gesprüht. Das mancht man dreimal im Abstand von 30 Sekunden, und muss dazu wahrscheinlich Beschwörungsformeln murmeln, die ich aber nicht kenne. Mein Brot muss ohne weiteres Entertainment auskommen. Hübsch aussehen tut es ja schon … wenn ich es jetzt nicht verbrennen lasse.

Währenddessen flucht und schnauzt der Mimosengatte rum, weil er den Backstubengeruch von Sauerteigbrot nicht mag und sich außerdem am Pflaumenkuchen überfressen hat. Ich bleibe still und genieße ihn dagegen. Ich bin gegenüber einer Bäckerei aufgewachsen, und eben riecht es haargenau wie in den Nächten meiner Kindheit.

Satte 900 g hat das Endergebnis fast 48 Stunden zähen Ringens. Das reicht, sollte das Brot gut sein, ungefähr zwei Tage dank des Konsums des Brotfressgatten. Nächstes Mal probiere ich mal ein anderes Rezept. Im Kühlschrank lagert noch ein Rest Krümelsauer. Etwas effizienter darf es dann schon sein. Bleibt nur noch die Frage, ob das Brot wenigstens gut ist. Es hatte ja zumindest Zeit, sich gut zu entwickeln, es hatte Zuwendung, Bewegung, Ruhe, auch mal Action …

Montag – Anschnitttag. Ich kann nicht länger warten, die Neugier frisst mich beinahe auf. Tja, das Endergebnis: Schmeckt ganz gut, auch die Konsistenz ist okay, hat in der Mitte aber einen verhängnisvollen Riss, der dem Ich-kann-das-nicht-leiden-wenn-das-Brot-so-ist-Gatten gar nicht gefallen wird. Wenn ihm seine Scheiben zerbröseln, steht er immer kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Damit werde ich also nicht punkten können. Aber immerhin ist es ein schönes Roggenbrot, ohne einen Hauch von Weizen, genau mein Geschmack. Ich bleibe dran, es gibt da noch mehr leckere Rezepte …

8 Kommentare zu “Roggenbrot-Fiasko für Fortgeschrittene

  1. Hallo, so ein gekaufter Sauerteig benötigt fast immer zusätzlich Hefe, da er keine lebenden Hefen mehr enthält, auch wenn „Natur-Sauerteig“ drauf steht.
    Und auch dein Krümmelsauer wird schwerlich ohne zusätzliche Hefe zu einem Brot werden.

  2. Als ich mal 2 solcher Sauerteig-Tütelchen verbuk oder verbakte stand da sogar was von Hefe drauf, glaube ich mich zu erinnern. Aber bei Sauerteig kann ich, wie viele Schweizer, nicht weiterhelfen, weil die meisten von uns nicht mit solchen Broten hochgezogen wurden. Der Riss im Brot kann als ideales Butter-Versteck dienen.
    Gell, der Bäcker Suepke ist toll.

  3. Sieht doch gar nicht schlecht aus? Dass so viele Abenteuer ein paar Spuren hinterlassen – jo mei, so ein Brot ist doch auch nur ein Mensch. 🙂

    Tütchen-Sauerteig ist mehr Gewürz als Triebmittel, glaub ich. Aber mit ein paar Bröseln Hefe nachzuhelfen, ist ja nicht ehrenrührig.

  4. @Houdini
    Ich glaube natürlich nicht an das, was auf Tütchen steht. Ehrlich gesagt hab ich gar nicht draufgeschaut. Aber Petra hat, zugegebenermaßen, eine Warnung auf ihrer Seite gehabt, was den Sauerteig und seine „Bioaktivität“ angeht. Hab ich aber einfach ignoriert. Der Süpke liest hoffentlich diesen Beitrag nicht, sonst kriegt er ein Schleudertrauma vom Kopfschütteln. 😉 Aber er ist jetzt einer meiner Brot-Gurus, ganz klar. Leider ist er so weit weg …

    @Hedonistin
    Brot ist scheints männlich (Jammerlappen) und hat noch dazu einen fiesen Charakter … na klar, heißt ja auch Bernd … Der Sauerteig ist für die Chemie im Teig. Roggenbrot kann man nicht nur mit Hefe machen, das wird nur Loch mit Kruste. Ohne Hefe dagegen wird es Backstein … 😉 Aber ich hab ja noch eine Menge Mehl-Sauerteig-Hefe-Rezepte, ich muss ja nicht so exotische Experimente machen.

  5. Das sind ja mal interessante Tipps die man hier bekommt. Muss hier mal öfter vorbeischauen.
    Der Artikel hat mir richtig Lust bereitet, selbst mal wieder Brot zu backen!

  6. Hab halb tot gelacht bei deiner Story, war wie bei meinem ersten Brot.
    Inzwischen habe ich es aber gut drauf, backe jede Woche mit reinem Natursauertag. SF

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Roggenbrot-Fiasko für Fortgeschrittene

Martina 15:02